Praktische Umsetzung: Wie können Interkulturalität und Interreligiosität im Religionsunterricht behandelt werden?

„Toleranz bedeutet Respekt, Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen unserer Welt, unserer Ausdrucksformen und Gestaltungsweisen unseres Menschseins in all ihrem Reichtum und in ihrer Vielfalt. (…) Toleranz ist Harmonie über Unterschiede hinweg. (…) Toleranz ist eine Tugend, die den Frieden ermöglicht, und trägt dazu bei, den Kult des Krieges durch eine Kultur des Friedens zu überwinden.“

Offizielle Stellungnahme der UNESCO-Kommission

Interreligiöses Lernen

Die Zielsetzung des interreligiösen Lernens macht wesentliche Merkmale deutlich, an denen sich insbesondere auch Unterrichtsentwürfe und Zielsetzungen orientieren können:

Interreligiöses Lernen muss 1. eine Klärung der jeweils eigenen Position beinhalten und damit auch zur Identitätsbildung beitragen; 2. den Erwerb religionskundlicher Kenntnisse umfassen; 3. auf Erlangung hermeneutischer Fähigkeiten abzielen; 4. sich auf den konkreten Umgang mit Angehörigen anderer Religionen beziehen; 5. auch die Entwicklung von gewünschten Einstellungen und Haltungen anstreben.[1]

Interreligiöses Lernen ist somit nicht einfach nur ein Lernen über verschiedene Religionen, sondern schließt vielmehr noch die Auseinandersetzung mit der eigenen (religiösen) Identität ein und will ein breites Kompetenzspektrum abdecken.

 

[1] Willems: Art. Interreligiöse Kompetenz, 2.1; ausführlich in Willems: Interreligiöse Kompetenz, S. 114f.

Interreligiöse Lernwege

Voraussetzung: Subjektorientierung

Interreligiöses Lernen erfordert die Einbeziehung der Schüler*innen und Lehrpersonen als Subjekte. Lehrpersonen müssen die Schüler*innen und die spezifische Religion berücksichtigen, um sinnvolle Unterrichtsvorhaben zu gestalten. Lernprozesse sind abhängig von entwicklungs- und altersspezifischen sowie lernpsychologischen Voraussetzungen. Die Freiheit aller Beteiligten ist entscheidend für den Erfolg von Lernprozessen. Die Personalisierung und Fokussierung auf die Individuen ist wichtig, um Raum für andere Sichtweisen zu schaffen. Lehrpersonen müssen sich ihrer eigenen Position in Sachen Religion bewusst sein, um ihren Standpunkt differenzieren und mit anderen Religionen ins Gespräch bringen zu können.

 

Mit Blick auf die didaktisch-konzeptionellen Linien interreligiösen Lernens haben besonders Lähnemann, Leimgruber, Halbfas, Meyer, Sajak und Tautz Großes geleistet. Darüber hinaus sind zentrale Aspekte von Schambeck zu berücksichtigen, die einige Überlegungen konkreter werden lassen.

Hier werden einige dieser Ansätze kurz vorgestellt, um eine kleine Grundlage zu bilden, für die Planung von Unterrichtsreihen im Kontext des interreligiösen Lernens.

Grundsätzlich lassen sich zunächst drei Linien unterscheiden, deren Differenzen wesentlich von der Zielperspektive der einzelnen abhängen. So verfolgt ein religionswissenschaftlicher Ansatz in erster Linie die Vermittlung von Sachthemen, während ein sozialorientierter Ansatz Kooperation und respektvolle Kommunikation fokussiert und ein existenziell-theologischer Ansatz versucht, besonders „das Nichtverfügbare fremder Religiosität und Gotteserfahrung im Bewusstsein zu halten.“[1] Insgesamt ist es notwendig, dass alle Perspektiven in wechselseitiger Verschränkung bedacht werden müssen, um gelingende Lernprozesse initiieren zu können.

[1] Meyer / Tautz: Art. Interreligiöses Lernen, S. 2.

Der sozial orientierte, dialogische Ansatz

Lähnemann entwickelte einen sozial orientierten, dialogischen Ansatz im Religionsunterricht, der auf die Fähigkeit zum Dialog und konstruktiver Begegnung mit Menschen anderen Glaubens abzielte. Sein Ziel war es, Schüler*innen auf Begegnungssituationen mit Gläubigen anderer Religionen vorzubereiten, um ein Hören aufeinander und ein Lernen voneinander zu ermöglichen. Dabei betonte er die Dialogkompetenz als entscheidend und formulierte vier Thesen als Grundlage für interreligiöses Lernen.

Interreligiöses Lernen im engeren Sinne – die Begegnung als Königsweg interreligiösen Lernens

Leimgruber betont die Bedeutung von direktem Begegnungslernen im Religionsunterricht, um ein gegenseitiges Verständnis und Anerkennung zu fördern. Er unterscheidet das interreligiöse Lernen im engeren Sinne von anderen Methoden wie Expertengesprächen oder Textvergleichen und betont, dass die direkte, intersubjektive Begegnung der Königsweg des interreligiösen Lernens ist. Dabei ist eine Balance zwischen Nähe und Distanz wichtig, um eine wertschätzende Begegnung zu ermöglichen.

Interreligiöses Lernen im weiteren Sinne – fünf Schritte einer Didaktik der Weltreligionen

Die Didaktik der (Welt-)Religionen zielt darauf ab, Schüler*innen zu religiöser Mündigkeit zu führen. Leimgruber empfiehlt fünf Lernziele, die mit entsprechenden Schritten in der Unterrichtspraxis verknüpft sind. Diese Lernprozesse sollen die Schüler*innen befähigen, sich schrittweise mit ihrer eigenen (religiösen) Identität auseinanderzusetzen, das Eigene besser kennenzulernen, u.a. in Abgrenzung vom Fremden und vor allem urteils- und handlungsfähig zu werden.

  1. Schüler*innen für fremde religiöse Zeugnisse sensibilisieren
  2. Deutungsprozesse bei den Schüler*innen initiieren
  3. Chancen für eine direkte Begegnung nutzen
  4. Erkenntnis, das Fremde in seiner Gänze nicht erfassen zu können
  5. existenzielle Auseinandersetzungen ermöglichen

 

Interkulturelles und Interreligiöses Lernen: Beispiele für den Unterricht

Gottesbild im interreligiösen Kontext: Materialien und Methoden zur Förderung der interreligiösen Dialogkompetenz (Klasse 6)

Die vorliegende Arbeitshilfe beschäftigt sich mit dem Thema Interreligiöses Lernen im Religionsunterricht und zeigt auf, wie insbesondere die interreligiöse Dialogkompetenz im katholischen Religionsunterricht gefördert werden kann.

Das Unterrichtsvorhaben dieser Arbeitshilfe ist Teil eines Studienprojektes gewesen, welches im Rahmen des Praxissemesters durchgeführt wurde und sich an eine sechste Klasse richtete. Das Gottesbild ist dabei das zentrale Thema.

Während im Studienprojekt die Erörterung der interreligiösen Kompetenzen und Lernwege im Vordergrund standen, werden in dieser Arbeitshilfe vor allem das Unterrichtsvorhaben selbst sowie die Ergebnisse der Durchführung präsentiert. Dabei wird aufgezeigt, wie erfolgreich ein solches Vorhaben sein kann.

Die Materialien befinden sich im Anhang.

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