Bibel

Was kann das Lesen in der Bibel heute für mich bedeuten?

Wer liest heute eigentlich noch? Und dann auch noch in der Bibel?

Einem so alten Buch, das heute doch kaum noch jemand versteht. Oder nicht?

Haben die biblischen Texte heute wirklich so stark an Relevanz verloren, wo sie doch über hunderte von Jahren verschiedene Menschen inspiriert haben?

Sicherlich ist es in der heutigen Zeit herausfordernder, biblische Texte zu lesen und zu verstehen - gerade im Unterricht.

Und doch können diese Texte uns auf ihre Weise bereichern.

Mit Bibeltexten entdecken, dass alle Menschen auf der Suche sind

In den Texten der Bibel wird immer wieder deutlich, dass Menschen ganz grundlegende Fragen nach dem Woher, Warum und Wohin haben.

Die Texte sind vor tausenden Jahren geschrieben und vorher mündlich tradiert worden. Die Fragen der Menschen sind aber die gleichen geblieben.

Zum Beispiel in der Frage nach der Herkunft von Unrecht und dem Wunsch nach Gerechtigkeit, Fragen nach dem Tod, Erleben von Liebe und Schmerz oder der nach dem Austesten eigener Grenzen.

Das Lesen von Bibeltexten kann also zeigen, dass Menschen als Fragende immer auf der Suche sind.

Mit Bibeltexten Gefühle und Hoffnungsperspektiven in den Blick nehmen

In den Texten der Bibel werden die verschiedensten Gefühle thematisiert.

Neben Staunen und Freude, sind das auch schwere Gefühle wie Zweifel, Trauer und das mit sich Ringen.

Die Texte zeigen dabei oft auch auf, wie mit diesen Gefühlen umgegangen werden kann.

In Zeiten der Schwere können die Texte uns auch heute noch Hoffnungsperspektiven schenken.

Mit der Bibel Gott kennenlernen!?

In den Texten der Bibel haben Menschen, die bereits vor tausenden Jahren gelebt haben, ihre Erfahrungen mit Gott eingebracht.

Wenn wir Bibeltexte lesen können wir erfahren, wie Menschen ihre Beziehung mit Gott beschreiben. Was haben sie damals von Gott erfahren?

Mit der Bibel über die Komplexität der Welt nachdenken

Mit der Bibel die Komplexität der Welt und des Glaubens und des Lebens entdecken und hinterfragen, was eigentlich als wahr gilt:

“Wer die Bibel aufmerksam liest, wird sie [die Unterschiede] unwillkürlich bemerken. Die Unterschiede fangen schon damit an, dass es verschiedene Schöpfungsberichte gibt. Wir lesen unterschiedliche Schilderungen der Geburt Jesu. Sehr vielfältig auch die Berichte von seiner Auferstehung. Es finden sich in der Bibel verschiedene Sichtweisen von Gott: Da begegnet uns der liebende, der zornige, der allmächtige, der leidende Gott. In der Bibel gibt es Spannungen, Widersprüche, Reibung. Und manches Geheimnisvolle.” (https://www.sonntagsblatt.de/artikel/glaube/annette-kurschus-bibel-lesen-evangelisch-kirche)

Die Bibel als Werk der Weltliteratur

Die Bibel ist darüber hinaus auch ein spannendes Werk der Weltliteratur.

Sie ist das meist verkaufte Werk der Welt!

Die Bibel liegt in der Vollversion in 733 Sprachen (Stand 2022) vor und ist damit wie kein anderes Werk Menschen verschiedenster Sprachen zugänglich.

Zahlen rund um die Bibel findet ihr hier: https://www.die-bibel.de/spenden/weltbibelhilfe/zahlen-und-fakten/

Bibeltexte lesen - Wozu kann das heute noch gut sein im RU? - Ein Beispiel

Gerechtigkeit - eine Frage, die alle etwas angeht

Wozu kann es gut sein, dazu einen Bibeltext zu lesen?

Die Texte in der Bibel zeigen: Menschen haben sich schon immer die Frage nach Gerechtigkeit gestellt.

In den Texten zu ihren Erfahrungen mit Gott haben sie diese Frage und ihre Erfahrungen dazu festgehalten.

Sowohl im Ersten als auch im Neuen Testament finden sich verschiedene Texte zu diesem Thema.

Zum Beispiel:

  • Vergehen gegen Leib und Leben (Ex 21, 12-27)
  • Das Buch Hiob
  • Pslam 82
  • Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20, 1-16)
  • Seligpreisungen (Mt 5-7)
  • Paulinische Schriften (Röm 3, 21-28)

Die Texte in der Bibel zeigen, dass auch schon vor über 2000 Jahren Menschen für uns bekannte Gefühle teilen.

Gerade in unseren heutigen Gesellschaften fühlen sich Menschen - aus ganz unterschiedlichen Gründen - ungerecht behandelt.

Auch Schüler:innen teilen dieses Gefühl einer unfairen Behandlung:
... wenn es um die Verteilung von Noten geht, um die Einhaltung bestimmter Regeln, um Verteilung von Rollen, gerechte Bezahlung uvm.

Die Bibel zeigt: Menschen haben sich - auch früher schon - unfair behandelt gefühlt. Sie sehnten sich nach Gerechtigkeit.
Das wird bei der Seligpreisung im Matthäusevangelium deutlich: “Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ (Mt 5,6)

Gerade das Thema der Gerechtigkeit eröffnet den Dialog über und ggf. auch das Gespräch mit Gott.

Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament finden sich Impulse zum Gerechtigkeitsverständnis im Reich Gottes, die uns einladen, unser Gerechtigkeitsverständnis sowie unser Gottesbild zu reflektieren.

Im Ersten Testament drückt sich Gerechtigkeit als Bund Gottes mit seinem Volk aus. Gott steht zu den Menschen. Aus diesem Bund heraus ergibt sich das TUN der Gerechtigkeit: Gerechtigkeit besteht in lebendiger Gemeinschaftstreue.

Im zweiten Testament spricht Jesus in Gleichnissen von einer neuen Gerechtigkeit im Reich Gottes. Es ist gewissermaßen eine soziale Gerechtigkeit: allen Menschen gleiche Chancen zukommen zu lassen.

Neu ist es, weil das herrschende Gerechtigkeitsverständnis war - und vielfach noch ist: Gerecht zu sein bedeutet vor allem, sich nach dem Gesetz zu richten, auf die Anderen zu achten und nicht egoistisch zu sein.
Der oder die Gerechte bleibt aber immer eine Idealvorstellung.

Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

“Gerechtigkeit ist bei Gott mehr als eine ausgewogene Rechtsprechung. Es geht darum, dass alle Geschöpfe zu ihrem Recht kommen.
Dabei kommt es zum Beispiel nicht darauf an, dass der, der mehr tut, auch mehr bekommt. Es geht um die Güte Gottes. Sie ist radikal, sie macht keinen Unterschied. Bei Gott ist zum Beispiel egal, ob man als Erstes kommt und viel arbeitet oder ob man der Letzte ist und weniger arbeitet als die anderen.
Das ist die Pointe des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16): Alle bekommen so viel, wie sie brauchen. Dass alle so viel bekommen, wie sie brauchen, ist die Bedingung für Frieden und ein Merkmal von Gottes Reich.” (https://www.ekd.de/Gerechtigkeit-Basiswissen-Glauben-11188.htm)

 

Gerechtigkeit in der kirchlichen Praxis

Es ist das eine, dass es biblische Grundlagen und Orientierungen für ein Gerechtigkeitsverständnis gibt, das alle Menschen einschließt. Das andere ist es, dieses auch in die Tat umzusetzen.

Im Urchristentum entwickelte sich der Gedanke, dass Gott sich nicht nur in der Schrift, sondern auch in der Natur mithilfe der Vernunft erkennbar macht.

Das Thema der Gerechtigkeit verschwand nahezu aus den Diskursen, bis...

... Martin Luther in der Reformationszeit die Rechtfertigungslehre aufstellte. Das biblische Gerechtigkeitsverständnis wird wiederaufgenommen und deutlich gemacht, dass die Rechtfertigung des Menschen vor Gott aus Gnade geschieht und aufgrund eigener Verdienste.

Die soziale Gerechtigkeit kam neu auf die Agenda.

Es entwickeln sich die sozialen und caritativen bzw. diakonischen Bewegungen in den Kirchen, die den etablierten Mächten eine auf Solidarität gründende Gegenmacht entgegenzusetzen versuchen.

Auch die Sozialethik wird eine eigene theologische Diszplin und Gerechtigkeit ein Thema in kirchlichen Lehrschreiben.

Alles das hat im christlichen Raum zur Bewusstseinsbildung dafür beigetragen, dass die soziale Verantwortung unabdingbar Christ:innen aufgetragen ist.

Das Engagement aus dem Glauben heraus ist bis heute für viele Christ:innen wichtig.

Gerechtigkeit und Glaube sind aufeinanderbezogen. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, sich für die Menschen einzusetzen, die aufgrund von gesellschaftlichen und politischen Strukturen keine Gerechtigkeit erfahren.