Glauben an Gott

Was heißt eigentlich Erfahrung?

Erfahrungen kann man definieren, ja. In einem Lexikon steht: Erleben, Erlebnis, durch das jemand klüger wird oder für die Philosophie: durch Anschauung, Wahrnehmung, Empfindung gewonnenes Wissen als Grundlage der Erkenntnis.

Entspricht das dem, was wir unter Erfahrung verstehen, wenn wir über “Gotteserfahrung” sprechen? Gibt es ein hinreichendes oder sogart notwendiges Kriterium für diese Erfahrung?

Vielleicht kann das Beispiel einer Freundschaft oder Partnerschaft hier weiterhelfen:

Woher “weiß” ich, dass ich in der Partnerschaft wirklich geliebt werde? Was brauche ich quasi als Beweis? Oder brauche ich das gar nicht?

Die Erfahrung von Freundschaft und Liebe kann hier ein Ansatz sein, sich der Gotteserfahrung zu nähern.

Was ist beweisbar?

In den Naturwissenschaften kann ich klar festmachen, wenn ich etwas durch ein Experiment bewiesen habe. Ich kenne die Kriterien, um zu sagen: Stimmt oder ist widerlegt.

Aber wie soll bitte eine individuelle Gotteserfahrung beweisbar sein?

Gibt es dafür Kriterien?

In der Logik ist ein Beweis eine Reihe von logischen Schlussfolgerungen, die die Wahrheit eines Satzes auf als wahr Angenommenes zurückführen soll.

Damit muss die Erfahrung, sofern ich sie als Beweis nutzen möchte, vor dem Hintergrund der Vernunft, logisch argumentierbar sein.

Ich muss vernünftig darlegen können, warum diese oder jene Erfahrung für mich auch eine Gottesbegegnung gewesen ist.

Nur vor dem Forum der Vernunft kann dies tragbar sein.

Gotteserfahrungen und Religionskritik

Gotteserfahrungen sind kein leichtes Thema - vor allem nicht in der heutigen Zeit. Fehlende Gotteserfahrungen können zum Rückschluss führen, dass es auch keinen Gott geben kann.

Auch dieser Rückschluss wäre logisch:

Wenn Gott so allmächtig ist und wollte, dass ich an ihn glaube, dann könnte er auch machen, dass ich ihn erfahre und somit an ihn glauben kann.

Hat er aber nicht gemacht, also glaube ich nicht daran.

Wie können wir mit solchen Aussagen umgehen? Die Schwäche oder das Fehlen der Gotteserfahrung nutzt z.B. auch André Comté-Sponville in seinem Buch.

Vor allem können wir es möglich machen, dass auf dem Forum der Vernunft die Erfahrungen und fehlenden Erfahrungen ins Gespräch gebracht werden.

im Unterricht

Der Religionsunterricht kann genau dieses Forum erzeugen. Durch das Gespräch und den Austausch werden die Schüler:innen dann sensibilisert für Erfahrungen, welcher Art auch immer.

Wie könnte das gehen?

Die Schüler:innen bekommen im Unterricht einen leeren Briefumschlag und werden gebeten, zu Hause ein Erlebnis niederzuschreiben, in dem Gott für sie spürbar war. Wenn sie der Ansicht sind, Gott noch nie gespürt zu haben, sollen sie ihren Zweifel oder ihre Sehnsucht formulieren. Wichtig ist, dass nichts von Hand niedergeschrieben wird, damit die Anonymität der Schreiber:innen gewahrt bleibt. Das beschriftete Blatt Papier wird in den Briefumschlag gesteckt und dieser dann zugeklebt.

In der nächsten Stunde werden alle Briefe mitgebracht, in einem Korb gesammelt und gemischt. Lehrkräfte und Schüler:innen setzen sich im Stuhlkreis zusammen, ziehen nacheinander einen Brief und lesen den Inhalt vor.

Erwartetes Ergebnis:

Es gibt Menschen unter uns, die meinen, Gott schon einmal erfahren zu haben (ob sie das Erlebnis sicher als Gotteserfahrung bezeichnen, kann variieren – jedoch ist öfter von einem „etwas von Gott“ o.ä. die Rede).

Andere schreiben, dass sie Gott „noch nie“ erfahren haben.

Auf diese Weise ist schon eine große Bandbreite an (fehlenden) Erfahrungen kommuniziert. Gemeinsam mit den Schüler:innen kann dann besprochen werden, wie auch Theisten und Atheisten ins Gespräch kommen können und welche Bedeutung (fehlende) Gotteserfahrungen für den Glauben von Menschen haben können.

Vor dem Hintergrund des immer größer werdenden Atheismus sollten wir uns auch im Religionsunterricht konstruktiv und kritisch mit diesen Fragen beschäftigen.